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Schwarz, salzig, süß

Knöterich, Katzenpfötchen, Schnecken, Konfekt – kaum eine Süßigkeit kommt so vielfältig daher wie Lakritz. Sein leicht scharfes Aroma bekommt es vom Süßholz, von dessen lateinischer Bezeichnung Glycyrrhiza glabra sich das deutsche Wort Lakritz ableitet. Mit Glukosesirup und Mehl wird aus dessen Extrakt die tiefschwarze Köstlichkeit Lakritz – und die ist in vielen Ländern in aller Munde. Die GartenArt-Redaktion hat eine kleine Recherchereise angetreten.

England – Die Wiege des Lakritz

In Pontefract, einer Stadt in der Grafschaft West Yorkshire, kultivierte man die sonst so wärmeliebende Süßholzpflanze seit dem 15. Jahrhundert. Auf die therapeutische Wirkung der Pontefract Cakes, ungesüßter Lakritztaler, schworen die Einheimischen schon seit vielen Jahren, als 1760 der Apotheker George Dunhill auf die Idee kam, sie mit Zucker zu versetzen. Dies war die Geburtsstunde der Süßigkeit. Noch heute lieben die Engländer Lakritz. Auch wenn in Pontefract längst keiner mehr Süßholz anbaut – es bleibt Englands Lakritzstadt.

 

Schweden – Von Lakritzbier und Lakritzshampoo

In kaum einem Land wird das Naschen so herrlich zelebriert wie in Schweden – meterlange Regalwände mit Süßigkeitenfächern laden dazu ein, sich nach Herzenslust gemischte Tüten zu füllen. Einen großen Teil der Lösgodis (lose Süßigkeiten) in Geschäften macht Lakritze in allen Farben und Formen aus – und die lieben die Schweden
so sehr, dass sie ihr sogar jährlich ein Festival widmen. Das dreht sich neben dem klassischen Naschwerk auch um Kuriositäten von Lakritzbier bis Lakritzshampoo.

 

 

Finnland – Nichts für schwache Nerven

Auch Schwedens Nachbar ist ein wahres Lakritz-Schlaraffenland: Lakritzlikör, Lakritzeis, geräuchertes Lakritz – und Salmiakki, starkes Salzlakritz. Ammoniumchlorid, Salmiak genannt, verleiht dem Lakritz eine charakteristische, salzig-strenge Note. In deutschsprachigen Ländern ist diese Form aufgrund seiner Schärfe auch als Erwachsenenlakritz bekannt – die Finnen machen jedoch keinen Unterschied und verspeisen Salmiakki von klein auf.

 

Die arabische Welt – Köstliche Muntermacher

In der arabischen Welt, insbesondere in Ägypten und Syrien, ist Lakritz weniger als Süßigkeit, sondern als Getränk bekannt. Erk Sous heißt das erfrischende, traditionelle Getränk, das besonders zum Fastenbrechen während des Ramadans gereicht wird, um Energie zu spenden. Und das tut das kühle Getränk in der Tat – das Glycyrrhizin der Süßholzwurzel lässt den Blutdruck steigen – deshalb sollte man Lakritz nicht nur mit Genuss, sondern auch mit Vorsicht konsumieren.

 

Die Niederlande – Die Königin des Lakritzes

Die Spitzenreiter des Lakritzkonsums sind zweifelsohne die Niederländer – sie finden die Süßigkeit richtig „lekker“ und verdrücken pro Kopf rund zwei Kilogramm pro Jahr. Zum Vergleich: In Deutschland liegt der Durchschnittskonsum bei gerade einmal 200 Gramm. Die Oranjes nennen ihre Lieblingssüßigkeit schlicht Drops und haben die Wahl zwischen mehr als 90 verschiedenen Sorten

 

Deutschland – Bärendreck südlich des Lakritzäquators

In Deutschland gibt es zwei Sorten von Menschen, so scheint es: Die einen sortieren Lakritz rigoros aus der gemischten Tüte aus, die anderen können nicht genug vom schwarzen Naschwerk bekommen. Experten sprechen sogar vom Lakritzäquator, der in etwa auf Höhe der Mainlinie verlaufe. Nördlich dieser imaginären Grenze lieben Menschen Lakritz, südlich stößt die Köstlichkeit eher auf Abneigung. Verkaufszahlen belegen dies, und die meisten Tüten wandern im Norden über die Theken. Süddeutsche nennen Lakritz mehr oder weniger liebevoll Bärendreck und bevorzugen die süße Variante. Norddeutsche hingegen greifen lieber zu salzigem Lakritz. Wo-ran das liegt, kann man nur vermuten. Vielleicht an der salzigen Meeresluft?

 

 

Österreich – Heiße Ware

Auch weiter südlich in Österreich hält sich die Lakritzliebe in Grenzen. In gut sortierten Supermärkten bekommt man die üblichen Verdächtigen wie Lakritzschnecken zwar zuverlässig, aber wahre Lakritzfreude kommt bei den Österreichern schon wegen mangelnder Auswahl nicht auf. Über die Gründe kann man nur spekulieren – hartnäckig hält sich die urbane Legende um das „Wiener Lakritzdelikt“. Demnach hat der letzte österreichisch-ungarische Kaiser Karl die Einfuhr und den Verzehr von Süßigkeiten mit mehr als fünf Prozent Lakritzanteil verboten. Ob nun wahr oder Legende, Bezugsquellen für ausgefallene Sorten sind in Österreich rar und Lakritz-Connaisseure handeln mit ihnen wie mit heißer Ware.